Indogermanen

Indogermanen
Ịndogermanen,
 
Ịndo|europäer, Gesamtbezeichnung für die Völker mit indogermanischen Sprachen, im engeren Sinn die Bevölkerungsgruppe, die als Träger der sprachwissenschaftlich erschlossenen indogermanischen Grund- oder Ursprache angesetzt wird. Aus dem gemeinsamen Wortschatz der Einzelvölker hat die indogermanische Altertumskunde eine Grundkultur erschlossen, deren Wirtschaftsbasis neben Ackerbau besonders Viehzucht bildete (Rind, Schaf, Schwein, Pferd; im östlichen Bereich Ziege). Die Gesellschaftsordnung beruhte auf der vaterrechtlich organisierten Großfamilie, die in der Siedlungsgemeinschaft (»teuta«) ihre politische Einheit fand.
 
Nach der Erschließung der Grundsprache hat sich die Indogermanistik in Verbindung mit der Vorgeschichte und Anthropologie bemüht, die Frage nach der »Urheimat« und »Rasse« der Indogermanen zu klären. Lange Zeit betrachtete man Zentralasien als Herkunftsgebiet. Später wurden Osteuropa sowie Mittel- und Nordeuropa als Kernbereiche angesehen. Von den jungsteinzeitlichen Kulturen zwischen Rhein und Wolga sind nacheinander fast alle über größere Räume reichenden Gruppen als Träger der Grundkultur der Indogermanen aufgefasst worden. Die an bestimmte Kulturgruppen (Bandkeramik, Megalithkultur, Schnurkeramik) anknüpfenden Hypothesen sind inzwischen überholt, weil die ihnen zugrunde liegende Volks- und Stammesauffassung eine untrennbare Einheit von Sprache, Rasse und Kultur zur Voraussetzung hatte. Neuere ethnogenetische Theorien, die mit der geschichtlich erwiesenen Überschneidung dieser Kategorien rechnen, lokalisieren das Entstehungsgebiet der Indogermanen sowohl in Mitteleuropa (H. Krahe, P. Thieme) wie in Osteuropa (E. Wahle, A. J. Brjussow, M. Gimbutas). Daneben besteht die Ansicht der »doppelten Urheimat«: Von einem östlich gelegenen Zentrum aus wären die noch ungeteilten Indogermanen nach Westen vorgedrungen und hätten sich von hier aus verteilt (W. Brandenstein, A. Scherer). Archäologisch betrachtet, konzentriert sich die Expansionsphase auf die Streitaxtkulturen, deren Träger überwiegend zum europiden Formenkreis gehören. Es ist anzunehmen, dass andere jungsteinzeitliche Kulturgruppen Mittel- und Osteuropas (Bandkeramiker) noch ältere Bildungsphasen der indoeuropäischen Sprachgemeinschaft darstellen.
 
 
H. Hirt: Die I., ihre Verbreitung, ihre Urheimat u. ihre Kultur, 2 Bde. (1905-07);
 S. Feist: Kultur, Ausbreitung u. Herkunft der I. (1913);
 O. Schrader: Reallex. der indogerman. Altertumskunde, 2 Bde. (21917-29);
 O. Schrader: Die I. (16.-20. Tsd. 1935);
 
Germanen u. I. Festschrift für H. Hirt, hg. v. H. Arntz, 2 Bde. (1936);
 P. Bosch Gimpera: Les Indo-Européens (Paris 1961);
 G. Devoto: Origini indeuropee (Florenz 1962);
 
Die Urheimat der I., hg. v. A. Scherer (1968);
 P. Friedrich: Proto-Indo-European trees (Chicago, Ill., 1970);
 B. Schlerath: Die I. (Innsbruck 1973);
 F. Crevatin: Ricerche di antichità indeuropee (Triest 1979);
 J. Haudry: Les Indo-Européens (Paris 1981);
 
Proto-Indo-European, hg. v. S. N. Skomal u. a. (1987);
 L. Kilian: Zum Ursprung der I. (21988);
 W. Meid: Archäologie u. Sprachwiss. (Innsbruck 1989).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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